SAISON 2022

WOZU KUNST?

BLUATSCHWITZBLACKBOX – Saison 2022

Je unübersichtlicher die Zeiten, desto lästiger scheint sich die Frage nach dem „WOZU?“ von Kunst und Kultur in den Vordergrund zu drängen. 

Wenn wir ohnehin schon Sorgen genug haben, wenn unser gewohntes Leben nicht mehr fortgesetzt werden kann wie bisher, wenn uns das Lachen vergeht, weil es auf so vielen Gebieten wahrlich nichts mehr zum Lachen gibt, wie soll uns in solcher Lage ausgerechnet die Kunst helfen? Oder soll diese ohnehin nur aus ein paar Schnörkel bestehen auf dem bunten, aber kaum zu entzifferndem Bild unserer aktuellen Situation? 

Wir – als Bluatschwitzblackbox – maßen uns naturgemäß nicht an, diese Frage grundlegend zu beantworten. Stattdessen haben wir uns in ihrer Geschichte umgesehen und sind dabei auf zwei herausragende Gestalten der Vergangenheit gestoßen, die auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben: Der Bildhauer, Maler und Architekt MICHELANGELO einerseits und der berüchtigte Begründer der klassischen Komödie, ARISTOPHANES, andererseits. Je genauer aber man die beiden und ihr unvergleichliches Werk betrachtet, desto deutlicher spürt man, wie radikal es ihnen um diese Frage ging: 

WOZU KUNST?

Ein gibt mehr als einen Grund, den bildenden Künstler und den beispielgebenden Komödianten in unsere Gegenwart zu versetzen, um sie beide neu zu befragen. Mit sehr überraschenden Ergebnissen, wie sich zeigen wird.

ARISTOPHANES hat die Blüte der antiken Tragödie, die berühmten Werke von Aischylos, Sophokles und Euripides noch mit eigenen Augen und Ohren im Theater erleben können. Er war Zeitzeuge dieser gewaltigen Epoche und musste zur gleichen Zeit mitansehen, wie der Geist der griechischen Antike politisch und gesellschaftlich vor die Hunde hing. Die Kraft ihrer Kultur, so gewaltig sie war, hatte sie nicht zu retten vermocht. Wie reagierte Aristophanes auf diese bestürzende Erkenntnis? Radikal genug: Er schrieb keine Tragödien mehr. Er verfasste schrille, stellenweise obszöne Komödien, in denen er die Menschen als gemeine, ordinäre, schamlose Wesen bloßstellte. Niemand kann heute wissen, wie er selbst sich fühlte, als er sah und hörte, wie das Publikum über seine Komödien vor Vergnügen brüllte und sich lachend die Schenkel klopfte. Vielleicht tat sich in ihm ein schmerzlicher Abgrund auf, zwischen Stolz und Verzweiflung. Stolz, weil er den Leuten dieses Vergnügen verschafft hatte, und Trauer darüber, dass sie als bloßes Vergnügen genossen, was er als Notschrei gemeint hatte. Auch in seinen finstersten Komödien tauchte, oft gut versteckt, ein aberwitziger Hoffnungsschimmer auf. Eine ganz unmögliche, doch nicht völlig absurde Utopie, die man hätte ernst nehmen können – wenn man bereit gewesen wäre, sie zu bemerken.

Und MICHELANGELO? Dieser wahrscheinlich berühmteste Großmeister der Kunstgeschichte, der Popstar der Renaissance, war ein Neuerer, ein Revolutionär auf allen Gebieten. Die Epoche, in die hinein er geboren wurde, war gerade dabei, die griechische Antike wiederzuentdecken – und er erkannte als einer der ersten, dass diese sämtlichen Regeln, welche die christliche Kunst befolgte, widersprach. Als Konsequenz rannte Michelangelo mit seiner ungebändigten Begabung gegen alle Gesetze der Kunst an. Ein einziges Prinzip sollte gelten: das der Schönheit. Schönheit wurde zur Domäne eines von allen Einschränkungen befreiten Individuums. Mit Michelangelo begann der Aufstieg des schöpferischen „Ich“ zum einzigen Herrscher im Reich der Künste. Deshalb wurde sein Leben als Künstler zu einem tragischen Drama: Alle seine Arbeiten zielten ins Gewaltige, ins Große. Allein die katholische Kirche mit dem korrupten Papsttum an der Spitze war in der Lage, eine solche Kunst finanzieren. Dafür musste die Kunst zur Magd der Kirche und ihrer Lehre werden, ein gefügiges Propaganda Medium für die Botschaft der Herrschenden. Schon damals galt: „Wer zahlt, schafft an!“ Jedes seiner Werke zeigt die Spuren des Kampfes, den Michelangelo führen musste. Die oft schmerzhafte Schönheit seiner Kunst ist Zeichen eines verlustreich erkämpften Sieges. Am Ende seines Lebens, mit fast 90 Jahren, erkannte er, dass sein Sieg einen hohen, zu hohen, Preis gehabt hatte: Die Befreiung des „Ich“ von allen Regeln, die maßlose Aufblähung des modernen Individuums wurde zur Gefahr für jenen Maßstab, den seine Kunst an die Stelle einer korrupten Lehre hatte setzten wollen: den der Wahrheit.  

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Wie eine Ellipse keinen Mittelpunkt hat, aber zwei Brennpunkte, so findet auch unser Programm 2022 WOZU KUNST an zwei gleichberechtigten Orten statt: Im Alpengarten (wie schon 2021) und im MKK (Mariannne – Kopatz -Kulturhaus, im Bad Ausseer Ortsteil Eselsbach) erstmals. 

Ines Kratzmüller und Jürgen Kaizik
und das ganze Team von BLUATSCHWITZBLACKBOX.